Jüdisches Hamburg erzählen

Geschichte(n) präsentieren – Vielfalt abbilden. Ein Interviewprojekt zum jüdischen Leben in Hamburg seit 1945

Über das Projekt

Überblick

Das Wissen darüber, wie Jüdinnen und Juden in unserer Stadt leben, welche Erfahrungen sie im Alltag machen und welche Geschichten sie zu erzählen haben, ist gering. Oft nimmt die Mehrheitsgesellschaft sie pauschal als „die anderen“ oder als Opfer antisemitischer Diskriminierung und Gewalt wahr. Das Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ) möchte mit der Online-Plattform „Jüdisches Hamburg erzählen“ dazu beitragen, diese Wahrnehmung zu ändern. Hamburger Jüdinnen und Juden, die in dieser Stadt studieren, sich gesellschaftspolitisch und kulturell engagieren, als Volkswirtin, Juristen oder Journalistinnen tätig waren oder als Lehrer:innen, Musiker und Selbstständige arbeiten, ergreifen das Wort. Die Sammlung von Kurzinterviews gibt exemplarische Einblicke in die vielfältigen (Über-)Lebenswege, Herkünfte und Selbstverständnisse, die das jüdische Leben in Hamburg in der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart auszeichnen.

Außenansicht des Gebäudes in dem das Institut für die Geschichte der deutschen Juden angesiedelt ist
Das Institut für die Geschichte der deutschen Juden Hamburg. Foto: Felix Matthies © IGdJ.

Die Interviews

Während das Interview von Carmen Melamed stellvertretend für die kleine Minderheit steht, der es gelang den Nationalsozialismus in Hamburg zu überleben, erzählen Michael Heimann und Daphna Horwitz von den Erfahrungen ihrer Eltern bei der Rückkehr nach Hamburg in der frühen Nachkriegszeit und davon, welche Spuren diese Schicksale in den Familien hinterlassen haben. Von denjenigen, denen eine Flucht gelang, kehrten aus den unterschiedlichsten Gründen (Klima, Gesundheit, Familie, Beruf) und zu unterschiedlichen Zeitpunkten einige in ihre ehemalige Heimat zurück. Darunter befand sich Peggy Parnass ebenso wie die Familie von Abi Wallenstein oder Andreas Wittenberg.

Mona Nasirzadeh gibt exemplarisch Einblick in das Leben der persischen Jüdinnen und Juden, die seit den 1950er-Jahren – vor allem aus wirtschaftlichen Motiven – nach Hamburg kamen und hier einige Jahrzehnte lang eine lebendige und gut vernetzte Gemeinschaft bildeten. Die größte Gruppe der hier lebenden Jüdinnen und Juden stammt aus der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten und ist im Zuge des Kontingentverfahrens ab 1991 bis 2005 nach Deutschland eingewandert. Die Interviews mit Elsara Lubinska, Julia Camargo oder Igor Zunik zeigen wie divers die Migrationswege und -erfahrungen innerhalb dieser Gruppe sind.

In der jüngsten Vergangenheit wanderten vermehrt junge Israelis nach Hamburg, von denen sich wiederum einige als Teil der jüdischen Gemeinschaft verstehen und hier durch das Interview mit Avi Rosenblum stellvertretend präsentiert werden. Elias Pestov oder Eliana Korn geben Einblicke in die Lebenswelten junger jüdischer Hamburger:innen. Die Interviews von Barbara Guggenheim oder Judith Landshut zeigen, dass (Migrations-)Geschichten individuell verlaufen und sich nicht immer einer größeren Strömung zuordnen lassen, ebenso wie sie oftmals nicht linear verlaufen, also auch durch Hin- und Rückwanderungsbewegungen gekennzeichnet sein können. Um Fragen von Zugehörigkeit und Identität geht es in den Interviews mit Ulrich Michael Lohse und John Guenther, die beide über Konversionsprozesse berichten.

Die hier präsentierten Kurzinterviews nehmen dabei keineswegs für sich in Anspruch, die jüdische Gemeinschaft abzubilden oder die Geschichte einer bestimmten Gruppe zu erzählen. Es handelt sich um rein subjektive Erzählungen, die aber in ihrer Gesamtheit ein Mosaikbild entstehen lassen, das die Vielfalt und Pluralität des Hamburger Judentums sichtbar macht, das einfache Zuschreibungen, klischeehafte Darstellungen oder monokausale Erklärungen hinterfragt und auf die Komplexität von Zugehörigkeiten und Geschichte(n) verweist, die eine diverse Einwanderungsgesellschaft ausmachen.

Das Projekt

Die hier präsentierten Interviews wurden im Rahmen eines am Institut für die Geschichte der deutschen Juden angesiedelten Projektes durchgeführt. Das Projekt wurde vom Referat Förderung des jüdischen Lebens der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke gefördert und in Teilen in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde in Hamburg umgesetzt. Eine weitere Kooperation ergab sich mit dem Jüdischen Museum Berlin bei der Durchführung des Objekttages im Juni 2022 in Hamburg. Während des Objekttages wurden mehreren Kurzinterviews aufgenommen, die ausgehend von einem konkreten Gegenstand persönliche Erfahrungen und familiäre Hintergründe beleuchten.

Die Interviews sind so vielfältig, wie die erzählten Geschichten, das betrifft die Inhalte, die Aufnahme- und Erzählsituation ebenso wie die Dauer des Gespräches.

In der Regel wurden die Interviews im Institut für die Geschichte der deutschen Juden oder bei den Interviewten zuhause geführt, in Ausnahmefällen auch über ein Videokonferenzprogramm. Während die Originalaufnahmen (Dauer etwa 15–90 Minuten) im Archiv des IGdJ archiviert werden, wurden für die Präsentation auf der Website in Rücksprache mit den Interviewten den Online-Sehgewohnheiten entsprechende Kurzversionen (ungefähre Dauer: 3–8 Minuten) erstellt. Um den Gesprächsverlauf zumindest skizzenhaft nachzeichnen zu können, wurde die Chronologie der Interviews nicht aufgebrochen.

Die Interviews geben Einblicke in sehr persönliche Geschichten, ihre Nutzung erfordert ein hohes Maß an Sensibilität um den Interviewten mit dem nötigen Respekt zu begegnen. Für alle Interviews gilt, dass sie ausschließlich für private und wissenschaftliche Zwecke genutzt werden dürfen und eine kommerzielle Nutzung verboten ist. Jedem Interview ist eine Lizenz an die Seite gestellt, die die Nachnutzung ausdrücklich regelt. In der Regel handelt es sich dabei um die Creative Commons Lizenz CC-BY-NC-ND 4.0. Diese Lizenz erlaubt eine Nachnutzung zu nicht-kommerziellen Zwecken unter der Bedingung der Namensnennung. Eine Bearbeitung des Materials ist nicht gestattet. Ein Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte der Interviewten wird geahndet.

Kamera auf Stativ mit der die Aufnahmen in den Räumen des Instituts durchgeführt wurden
Kameraausrüstung für die Interviewaufnahmen, Foto: IGdJ.